<K I 26/73a>Alle arithmetischen Axiome haben die Form: ‘‘Wenn den Begriffen b1, b2,… etwas entspricht, so gilt f(b1, b2, …) = 0’’.
Der Inbegriff der arithmetischen Axiome kann so symbolisiert werden:
f(bκ)=0
f(bλ)=0
…
Wobei einem jeden die Bedingung beizufügen ist: Wenn den bλ ein Gegenstand entspricht, wenn den bκ ein Gegenstand entspricht usw. Die verschiedenen Indices haben wir gewählt, weil nicht jede Gleichung die sämtlichen und nicht jede dieselben b enthalten muss.
Ist es nun möglich, dass sich aufgrund zweier oder mehrerer solcher hypothetischer Beziehungen, deren jede aus der Natur der bezüglichen Begriffe einleuchtet, Widersprüche ergeben? Es ist offenbar unmöglich, wenn die Begriffe nicht absurd sind; denn widersprechen einander zwei solcher Gleichungen, dann heißt dies ja nichts anderes, als dass unmittelbar oder mittelbar die Wahrheit gilt: Wenn ein bμ existiert, so gilt F = 0 und zugleich nicht-F = 0; woraus unmittelbar folgt: Ein B kann nicht existieren. Umgekehrt sieht man, dass, wenn ein B unmöglich ist, entgegengesetzte oder Widerspruch implicite einschließende Beziehungen, die aufgrund des Begriffs B mit Evidenz gültig sind (sc. in hypothetischer Form, unter Voraussetzung, dass es ein B gibt), bestehen können. Natürlich folgt aus all dem nicht, dass es für unmögliche B nur solche gültigen Beziehungen geben kann, die einander direkt oder indirekt widersprechen. So widersprechen einander die Urteile ,,Ein rundes Viereck ist rund‘‘, ,,Ein rundes Viereck ist viereckig‘‘ durchaus nicht. Und wiederum ist klar, dass, wenn Begriffe unter gewissen Bedingungen gegenstandslos werden, genauer, wenn Begriffe aus gewissen Verknüpfungen anderer Begriffe hervorgehen und für gewisse Verhältnisse, deren Möglichkeit aus der Natur der komponierenden Begriffe hervorgeht, zu ‘‘unmöglichen’’ werden, der Fall eintreten kann, dass gewisse Wahrheiten, die für die Sphäre der Gegenständlichkeit evident und verträglich sind (und eo ipso verträglich sein müssen, weil sie auf gegenständliche Begriffe gehen und evident sind), für die Sphäre der Gegenstandslosigkeit unverträglich werden.
<K I 26/73b> Denken wir uns nun gerade diesen Fall unseren weiteren Betrachtungen zugrunde gelegt und legen wir die Frage vor: Darf das Gebiet der Gegenstandslosigkeit als Brücke für die Ermittlung von Erkenntnissen für das Gebiet der Gegenständlichkeit dienen? Und wann ist dies der Fall?
Würde ich, um die Gegenständlichkeit unbekümmert, die Sätze, die für bλ unmittelbar evident waren, verbinden oder Komplikationen, in die Begriffe bλ eingehen, verwenden, dann müsste ich auf Widersprüche gewärtig sein, sowie ich die Gegenstände als dem Gebiet der Gegenstandslosigkeit angehörend ansehe, sowie also die Begriffe unter jenen besonderen Bedingungen gedacht werden, die ihre Gegenstandslosigkeit verbürgen. Und mit Hilfe widersprechender Beziehungen für das Unmögliche würden sich dann auch widersprechende Beziehungen für das Mögliche ergeben, sowie ich aus dem einen Gebiet in das andere übertrete. Solche Übergänge sind in der Weise denkbar: Neben den evtl. gegenstandslosen Begriffen befinden sich in den bezüglichen Sätzen auch solche, die unbedingt Gegenständlichkeit haben. Und durch Verbindung mehrerer solcher Sätze kann ein neuer Satz formell erschließbar sein, der bloß gegenständliche Begriffe enthält. Wähle ich nun von zwei widersprechenden oder formell widerstreitenden Sätzen einmal den einen und einmal den anderen als Prämisse, dann erhalte ich für gegenständliche Begriffe zwei verschiedene und miteinander in Widerstreit stehende Sätze als Konsequenzen.
Wann ist nun solch ein Fall ausgeschlossen? Wann wird jeder Schluss, der die Grundsätze in dem Sinn unbeschränkt nimmt, dass er selbst widerstreitende Begriffe zulässt, und der auf einen Satz führt, der bloß gegenständliche Begriffe einschließt, auf einen Schlusssatz führen, der mit keinem anderen formal gültigen Satz des Gebietes in Widerspruch stehen kann? Wir können antworten: Dann, wenn die Grundsätze entweder überhaupt nicht widerstreiten, trotz der Gegenstandslosigkeit der Begriffe, oder wenn wir Vorsorgen treffen, dass solche gegenstandslose Begriffe, welche die Grundsätze zu widersprechenden machen, (explicite oder implicite) ausgeschlossen werden. A priori ist ja denkbar, dass nicht alle gegenstandslose Begriffe, die auftreten, einen Widerspruch der Grundsätze herbeiführen. Wir können dies auch so ausdrücken: Wir lassen alle gegenstandslosen Begriffe, für die die Grundsätze nachweislich ohne formellen Widerspruch sind, zu, schließen alle, für welche dies nicht der Fall ist, aus. Ist dies geschehen, dann dürfen wir das so erweiterte Gebiet als Fundament für beliebige Schlüsse verwenden. Alle Ableitungen sind richtig nicht mehr unter der beschränkenden Voraussetzung, dass nur Begriffe Gegenständlichkeit haben, sondern nur unter der viel weniger beschränkenden, dass kein gegenstandsloser Begriff zugelassen wird, der die Grundsätze zu widersprechenden macht.